Ursprünglich ein Gewerbe- und Industrieareal hat die Industriestrasse seit Ende der 1970er-Jahre den Charakter einer Zwischennutzung. Etliche städtische Entwicklungs- und Umnutzungsstrategien für das rund 8700 m2 grosse Grundstück scheiterten. So konnte sich über Jahrzehnte hinweg ein Quartier entwickeln, das Kleingewerbetreibenden, Kunst- und Kulturschaffenden, Wohngemeinschaften und kulturellen Einrichtungen bis heute bezahlbare Wohn- und Arbeitsräume bietet.
Das Areal
Industriestrasse ist ein städtisches Areal, das 2016 der Kooperation Industriestrasse
Luzern als Genossenschaftsverband im Baurecht für 80 Jahre abgegeben wurde.
Die Lage
Das Areal Industriestrasse liegt im südlichen Tribschen-Langensand-Quartier der Stadt Luzern am Fusse des Geissensteins. Die Quartiere Hirschmatt-Neustadt und Sternmatt grenzen daran an. Das zentral gelegene Areal befindet sich nahe Bahnhof, Innenstadt, See und südlich der Hügel Geissenstein und Wartegg. In unmittelbarer Nachbarschaft sind die Entwicklungsareale ewl, Steghof und Rösslimatt. Die Quartierstrassen Geissensteinring, Unterlachen-, Keller- und Industriestrasse umfassen das Areal Industriestrasse.

Geschichte
Gaswerk-Areal um 1899
Das Industriestrassenareal ist geprägt durch eine bauliche Vielfalt und Heterogenität, herrührend von der ehemals gewerblichen Nutzung. Seit Ende der 1970er-Jahre wird das Areal durch vielerlei Kleingewerbe, Kulturschaffende und Wohnende zwischengenutzt.
Auf dem Areal befinden sich neben Gewerbebauten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschiedene Lagerschuppen, Hallenbauten und Unterstände. Ein Teil der Gewerbebauten weisen Qualitäten auf, die eine Erhaltung rechtfertigen würden. Im Bauinventar der Stadt ist einzig das ehemalige Käselager Industriestrasse 9 als erhaltenswert klassiert.
Käselager
Das Käselager Industriestrasse 9, 1903-05 für den Käseexporteur Franz Dillier-Wyss erbaut, ist eines der ältesten, noch erhaltenen Gebäude des Industriegebietes Unterlachen. 1920 erfolgte ein Umbau für den Käsehändler Peter Bürki. Das charakteristische Lagergebäude mit einem Wohngeschoss im 1. OG erfuhr mehrere Umbauphasen. Dennoch ist ein grosser Teil der originalen Substanz aus der Bauzeit und älteren Umbauten erhalten geblieben und stellt ein wichtiges Bauzeugnis für das Quartier dar. Das Gebäude ist im Bauinventar der Stadt als erhaltenswert eingestuft und soll langfristig erhalten und denkmalpflegerisch saniert werden.
Pferdebestallung
Im Jahre 1904 erstellte F. Dillier-Wyss einen Waschhaus-Anbau nordöstlich an das Käselager. Ein Jahr später folgte der Anbau eines zweigeschossigen Gebäudes mit Pferdestall und Wagenremise an das Waschhaus. Im Obergeschoss befanden sich mehrere Angestelltenzimmer, eine Küche und ein Lagerraum für Heu. Gemäss einem Baueingabeplan von 1922 zur Vergrösserung der Küblerei wurde das Obergeschoss umgebaut. 1928 erhielt das Gebäude einen Dachstock mit Satteldach.
Der Rossstall entspricht grösstenteils noch dem Originalzustand inklusive den Umbauten von 1922 und 1928. Er zeigt einen Zweckbau mit historisierenden Zier- und Konstruktionselementen. Seine Substanz und gestalterischen Qualität würden einen Erhalt rechtfertigen, der durch die teilnehmenden Teams im Wettbewerb zu prüfen ist.
Eisenwarenhandel
Der scheunenartige Bau gehört zu den ältesten Gebäuden auf dem Areal. Kurz nach 1900 richtete der Eisenhändler Josef Willmann-Ronca an der Industriestrasse 11 einen Lagerplatz für Grobeisen ein. 1918 ging die Eisenhandlung an die Firma Stocker & Co. über, die das Eisenlager bis 1962 an der Industriestrasse betrieb.
Getränkehandelsfirma
Karl E. von Vivis, Hersteller und Händler von mit Kohlensäure angereicherten Erfrischungsgetränken, errichtete 1911 ein Lager- und Bürogebäude an der Industriestrasse 15, nachdem die Lokalitäten an der Seidenhofstrasse 10 zu klein wurden. Im Jahre 1961 trat Charles B. von Vivis als Vertreter der dritten Generation in die Firma ein.
Im Jahre 1974 wurden die Fabrikations- und Abfüllanlagen der Vivis-Getränke stillgelegt und man verlegte den Firmensitz an die Obergrundstrasse 110. Die Firma beschränkte sich in der Folge auf den Handel mit Getränken. 1996 gingen die Aktien der Lufrisca von Vivis AG an die Brauerei Eichhof AG über.
Porzelanhandelsfirma
1903 ist das Gründungsjahr der Firma Bosshardt & Co., die an der Industriestrasse 17 einen Handel mit Glas-, Kristall-, Porzellan-, Keramik- und Metallwaren betrieb. Das Gebäude wurde 1912 erbaut, vermutlich als Aufstockung ab dem Hochparterre eines vormals bestehenden Gebäudes. Als Bauherrschaft trat die Deutsche Porzellanfabrik Weiden der Gebrüder Bauscher auf, deren Vertretung für die Schweiz Walther Bosshardt-Russi übernahm. Bis 1920 realisierten die Gebr. Bauscher noch mehrere Schuppen- und Lagerbauten an der ehemaligen Gasstrasse, heute Geissensteinring.
Um 1920 musste ein Besitzerwechsel von den Gebr. Bauscher zu Bosshardt & Co. stattgefunden haben, da ab 1924 für bauliche Erweiterungen die Firma Bosshardt & Co verantwortlich zeichnete. Gemäss Handelsregister wurde die Firma Bosshardt & Co AG 1994 mit einer Firma in Zürich fusioniert und aufgelöst.
Der Eckbau zeigt stilistische Merkmale aus der Zeit des deutschen Werkbundes, dessen Mitbegründer Peter Behrens war und der für die Firma Gebr. Bauscher bei der Gestaltung von Geschirr verantwortlich zeichnete.
Bei den drei Lagerbauten handelt es sich um Erweiterungen des Handelsgeschäfts Bosshardt & Co AG., die in mindestens zwei Etappen dem Hauptbau angefügt wurden. Der direkt an den Hauptbau anschliessende, dreischiffige Lagerbau wurde praktisch zeitgleich mit der Aufstockung des Hauptbaus erstellt und weist bauliche wie gestalterische Qualitäten auf.