Idealvorstellung trifft auf Lebensrealitäten
Edina Kurjakovic ist Geschäftsleiterin des Genossenschaftsverbandes Kooperation Industriestrasse Luzern (Kooperation) und koordiniert die Dialogphase.
Heute fand der erste Workshop der Dialogphase statt – wie ist Ihr Fazit?
Es ist schön, dass so viele Menschen Interesse am Dialog zum Aussenraum hatten. Einerseits Leute, die dem Projekt nahestehen, aber auch solche, die sich wirklich rein aus Interesse oder als Perspektive auf den zukünftigen Wohnort daran beteiligten. Das hat den Diskurs spannend gemacht. Die Teilnehmenden konnten ihre Sichtweise darlegen und wir als Kooperation können unsere Gedanken/Thesen überprüfen lassen, schauen, wie diese in der Breite ankommen. Daher betrachte ich den Workshop als gelungen. Was die Analyse betrifft, kann ich noch keine Aussagen machen.
Was ist nun der nächste Schritt?
Wir werden diese Beiträge weiterverarbeiten. Zum einen fliessen sie ins Regelwerk für den Städtebau ein, zum anderen stellt sich für uns die Frage, wie wir mit den generierten Inhalten weiterfahren: Haben wir darüber genug diskutiert? Müssen sie in einem anderen Rahmen noch vertieft werden? Nach einer ersten Übersicht ist aber das Themenspektrum schon recht breit.
Was waren inhaltlich die wichtigsten Erkenntnisse von heute?
Da ich einen Tisch moderiert habe, kann ich noch nicht eine Gesamtaussage machen. Aus meiner Perspektive war es interessant zu hören, was beispielsweise der Gedanke «gemeinschaftlich miteinander wohnen» mit sich bringt und welche Kriterien dabei berücksichtigt werden müssen. Das Spannungsfeld von sich beteiligen wollen, aber um sich die Miete in einem Neubau leisten zu können, 100 Prozent arbeiten müssen – woher soll also die Zeit für die Beteiligung kommen? Solche Fragen lassen Idealvorstellungen mit Lebensrealitäten kollidieren. Gewisses können wir als Projektentwickler steuern, anderes wird von der Realität eingeholt.
Bringt die Dialogphase nicht die Gefahr mit sich, dass sich die Ansprüche ins unermessliche steigern, weil alle mitreden und mitbestimmen wollen?
Ja, diese Gefahr besteht. Unser Auftrag ist es, festzulegen, worüber in einem Dialog gesprochen werden kann und worüber nicht. Es ist an uns einen Rahmen zu setzen und diesen zu kommunizieren. Es ist eine grosse Herausforderung, die Menschen dort mitreden zu lassen, wo ihre Stimme ein Gewicht hat oder haben soll. Bei Themen, bei denen wir merken, dass sie auf einer anderen Ebene entschieden werden, führt man die Diskussion nicht öffentlich. Bei solchen Themen legen wir grossen Wert auf transparente und nachvollziehbare Information.
Was wäre das beispielsweise?
Ein Beispiel ist die Mietzinspolitik oder die verschiedenen Reglemente: bei diesen Themen entscheiden die Genossenschaften für sich, nach ihren Kriterien und übergeordneten Bestimmungen. Man muss den Spagat schaffen, und den Leuten erklären: Es gibt Information und Partizipation. Mitreden und mitdiskutieren kann man nicht immer und überall. Ausserdem werden sich gewisse Dinge erst im Betrieb zeigen. Die können wir zum jetzigen Zeitpunkt andiskutieren, aber letztlich müssen dies die Bewohnerinnen und Bewohner entscheiden. Bis diese für sich selbst sprechen können, müssen gewisse Zustände auch einfach ausgehalten werden.
Das macht den Prozess nochmals aufwändiger.
Ja. Man wird wieder über ähnliche Dinge diskutieren müssen. Mitgestaltungsprozesse sind komplex, gewisse Dinge nimmt man zweimal in die Hand. Dafür hat man beim zweiten Mal bereits vieles angedacht und kann die Diskussion bestenfalls speditiver führen – ohne sich zu verschliessen. Heisst Hilfestellungen leisten, ohne wieder bei Adam und Eva beginnen zu müssen.
Begleitet die Kooperation auch die einzelnen Genossenschaften bei der Erarbeitung ihrer Position?
Die Geschäftsstelle der Kooperation ist für den Genossenschaftsverband zuständig und funktioniert nicht deckungsgleich mit den internen Abläufen und Entscheidungsfindungen der Genossenschaften– muss sie auch nicht. Wir schaffen den Rahmen, dass die Genossenschaften voneinander lernen oder gewisse Dinge abschauen können. Dasselbe gilt für die Kooperation selbst – wir holen uns auch bei den Genossenschaften Inputs, aber auch bei ähnlichen Projekten an anderen Orten. Es geht darum, Synergien im Bereich Wissens- und Erfahrungsbereich zu nutzen. Die Genossenschaften sind angehalten, sich innerhalb der Workshops einzubringen, damit alle Partner voneinander erfahren und verstehen, wer wo und wieso steht. Es hilft uns dabei, ein gemeinsames Bild zu entwickeln, angereichert durch vielfältige Facetten.